Warum Sicherheit und Sicherheitsgefühl nicht das gleiche sind

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Seit einiger Zeit ist in Baden-Württemberg so richtig Wahlkampf. Zumindest hängen Plakate und es gibt Infostände der Parteien, Wahlkampfauftritte und so weiter. Eines der zentralen Themen der CDU ist wohl ‚Innere Sicherheit‘. Andere sind Strassenbau, Bildung und Familien. Interessant ist aber, dass das Plakat zur ‚Inneren Sicherheit‘. Eine ältere Frau (mit grauen Haaren, Falten) liegt entspannt auf einem Kissen und darüber steht: „Damit aus dem Wort Sicherheit wieder ein Gefühl wird“.

Als ich das Plakat sah, mußte ich spontan an Slipeinlagen oder etwa Inkontinenzzubehör denken. Dann habe ich die Worte Sicherheit und Gefühl gegoogelt und tatsächlich kommt man relativ schnell auf Werbung eines Kondomherstellers.

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Klar, dass der Schalk in mir da gerne mal zum Photosphop greift.

Aber nun mal etwas ernsthafter. Wahlplakte werden nicht einfach mal so an einem Nachmittag von drei Leuten mit dem Photoshop und einer Stockfoto CD entworfen, sondern zielen darauf bestimmte Gefühle zu aktivieren und bestimmte Themen, bei denen man selbst als Kompetent wahrgenommen wird in den Vordergrund zuspielen. Etwa die Grünen indem sie sich für Umweltschutz aussprechen oder die SPD für soziale Gerechtigkeit. Bei der CDU vermuten die Wähler traditionell das sie auf dem Gebiet ‚Innere Sicherheit‘ besonders kompetent sei. Ob diese Kompetenzzuschreibungen und die tatsächliche Kompetenz der Parteien nun übereinstimmen, das ist noch mal was anderes.

Aber nun mal zur Analyse des Wahlplaktes. Zunächst mal ein Satz dem man nicht wiedersprechen wollen wird. Jeder möchte sich gerne sicher fühlen. Offen lässt aber das Plakat genau bei was: Im Verkehr, beim nächtlichen Ziehen durch die Strassen und dem Besuch von Diskotheken, bei alltäglichen Verrichtungen, im Internet, am Arbeitsplatz, vor dem kleinen Malheur…? Auch wird gar nicht angesprochen oder signalisiert was diese Sicherheit genau bedeutet: Nicht ausgeraubt zu werden, die Blase unter Kontrolle zu haben, das meine Daten nicht ausgepäht werden, nicht meine Wohnung oder Arbeitsplatz zu verlieren, das mein Partner*In bei mir bleibt, der Euro stabil, kein Feuer ausbricht…? Es gäbe viele Gründe sich sicher oder unsicher zu fühlen.

Dabei muß man aber eines beachten:

subjektives Sicherheitsgefühl

Das subjektive Sicherheitsgefühl – was weit mehr umfasst als eben die Furcht vor Kriminalität – und die tatsächliche Sicherheit fallen stark auseinander:

Obowohl die Quote schwerster und schwerer Straftaten in Deutschland stark zurückgeht – am eindrucksvollsten hier gezeigt an der Mordrate – fühlen sich die Menschen nicht sichrer. Sehr eindrucksvoll erläutert das im DLF Interview Deutschlands renomiertester Kriminologe Christian Pfeiffer. Und erklärt anschaulich wie sich Medienkonsum und Kriminaltiätsfurcht verhalten: „Je mehr die Menschen privates Fernsehen gucken, umso mehr ist ihre Kriminalitätstemperatur, ihre gefühlte Kriminalitätstemperatur von der Wirklichkeit entfernt, weil im Privatfernsehen das Verbrechen noch mehr dämonisiert und dramatisiert wird.“

Relativ deutlich für Baden-Württemberg:

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und auch die Gesamtzahl der Straftaten auf 100.000 Einwohner, die sich in den letzten 30 Jahren kaum verändert hat

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Wahrscheinlich dürfte der Konsum einschläger online „Nachrichten“ Angebote wie Focus Online oder ähnlichem (oder schlimmeren) sich auch so auswirken.

Übrigens ist die Chance Opfer einer Straftat zu werden (und auch Täter) im Jugendalter besonder groß. Senioren werden eher seltner Täter und auch Opfer von Straftaten.

Quelle: http://www.bmfsfj.de/doku/Publikationen/genderreport/10/10-2-Daten-aus-dem-hellfeld-polizeilicher-kriminalstatistik-strafverfolgungs-und-strafvollzugsstatistik/10-2-8-opferregistrierung-nach-geschlecht-und-alter.html

Übrigens noch zwei Interessante Informationen zu diesem Thema vom Genderreport des Bundesministeriums für Familie und soziales:

  • „Frauen fühlen sich in privaten Räumen sicherer, doch dort wird die meiste Gewalt gegen Frauen verübt. Männer haben umgekehrt kaum Angst an öffentlichen Orten, an denen sie jedoch die meiste Gewalt erfahren. Hieran wird deutlich, dass Kriminalitätsfurcht und reale Gewalterfahrung kaum miteinander korrespondieren.

Auch geht etwa die Jugendkriminalität in Deuschland seit einigen Jahren wieder deutlich zurück.

Fazit:

Das Wahlplakat der CDU ist ein gutes Wahlplakat, weil es Frames und Kernkompetenzen von CDU Wählern anspricht. Dabei versucht es von der ‚Nach-Köln-Angst‘ und der generellen Angst vor dem ‚gefährlichen Orientalen‘ zu Punkten. Mit einer gestiegenen Kriminalität, trotz Flüchtlingen, hat es wenig zu tun. Deutschland wird nicht tatsächlich unsicherer weil es mehr Flüchtlinge gibt.

Oder um den Kripochef von Braunschweig zu zitieren: „Das Überraschende war, dass ich mit meiner These wirklich recht hatte. Bei den Flüchtlingen, die nach Deutschland eingereist sind, ist der Anteil von Kriminellen prozentual nicht höher als der Anteil von Kriminellen in der deutschen Bevölkerung.“

Das soll nicht heißen das Flüchtlinge nicht in der Lage wären die Polizei zu beschäftigen: alleine das massenhafte Anfertigen von Anzeigen und beginnen von Verfahren wegen unerlaubtem Grenzübertritt, welche dann von den Staatsanwaltschaften in der Regel wieder eingestellt werden, da die Genfer Flüchtlingskonvention genau das erlaubt: Grenzübertritt auch ohne Papiere oder Visum mit dem Ziel als Flüchtling anerkannt zu werden. Ist schon eine erhebliche Arbeitsbelastugn für die Polizei. Der leider notwendige Schutz von Flüchtlingsheimen vor Brandanschlägen übrigens auch.

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